„GESTREIFT“ | Galerie des VBK | Erfurt | Malerei |1. Februar 2010

Laudatio:

Wir begegnen Katja Hochstein augenscheinlich als Malerin – doch damit ist in ihrem Fall zu wenig gesagt. Katja Hochstein drückt sich zwar malend aus, doch sie denkt in erster Linie in Projekten.

Da Katja Hochstein zu den neuen und jüngeren Mitgliedern des VBK gehört, soll sie in ein paar kurzen Wort vorgestellt werden: Katja Hochstein wurde 1975 geboren. Sie studierte ab 1997 an der Bauhaus-Universität in Weimar bei Prof. Barbara Nemitz. 2002 schloss sie mit dem Diplom ab. Davor lag aber noch ein Semester als Erasmus-Stipendiatin in Wien, an der Akademie der Bildenden Künste. Heute arbeitet sie einerseits als freischaffende Künstlerin und studiert seit 2006 parallel dazu Architektur an der Bauhaus-Universität.

Wahrscheinlich aus ihrer Ausbildung hinaus und aufgrund ihres vielseitigen Interessengebietes gehört Katja Hochstein zu jenen Künstlern, die sich ihre Aufgaben deutlich theorieorientiert stellen und von einem konzeptuellen Ansatz ausgehen. Ich lernte sie im Rahmen des VBK-Projekts Anlass Bauhaus kennen, wo sie den Entwurf einer Expedition Bauhaus einreichte. Sie projektierte Zelte, gewissermaßen gefüllt mit philosophischer Ausrüstung zur Auseinandersetzung mit dem Bauhaus. In Anpassung an die Bedingungen und Gegebenheiten vor Ort entwickelte sie daraus, hoch flexibel und geistig sehr gelenkig, den zeltartigen Gang, an dessen Himmel Gedanken von Gropius und Beckett, chiffriert in der Art eines Buchstabengedichts zu entziffern waren.

Hier nun Tafelbilder, Öl auf Leinwand. Alle zeigen stille Räume, konsequent in strikter Beschränkung auf Zweifarben gemalt. Doch wird uns ihre Betrachtung, das Erkennen des Dargestellten erschwert durch die senkrechten Streifen, die diese Interieurs unterbrechen, entweder vergittern oder in Streifen zerlegen. Manchmal sind die Räume leer, manchmal befinden sich Personen darin. Aber entweder posieren sie, sehr statisch dort hineingestellt oder sie sind wie in einer Momentaufnahme eingefroren. Wirklicher Hauptakteur ist der Raum, seine Tiefe, seine Konstruktion, seine ihn konstituierenden Elemente und – sehr wichtig! – seine Lichtverhältnisse.

Dieses Denken mit Raum und Figur, die Untersuchung des Raumes und der Personen in ihm beschäftigt Katja Hochstein schon seit einiger Zeit. Eins der Themen auch dieser Arbeiten ist offensichtlich die Frage, welche Funktion der Raum hat, welche Aufgaben er übernimmt und er sich aus auf die Akteure in ihm auswirkt? Sie untersucht, wie sie es selbst formuliert, die Beziehung von Raum und Ort und bezieht sich dabei auch auf die niederländische niederländischer Interieurmalerei des 17. Jh., z.B. Vermeer, Pieter de Hoch und Jan Steen.

Vermeers Räume wurden einmal beschrieben als: „... kühl und klar und unergründlich in ihrer Vordergründigkeit ... „ – das trifft so wunderbar auch auf Katja Hochsteins Interieurs zu, dass ich hier eine Anleihe machen möchte. Wie Vermeer konstruiert auch sie Bilder des Lebens. Doch das Leben aber ist nicht – traditionell aufgefasst - der private bürgerliche Alltag, als Alltäglichkeit zieht Katja Hochstein – nun aktuell und zeitgemäß – die Bildwelt von Hochglanzmagazinen heran. Deshalb kommen die meisten Interieurs ebenso wie die darin angeordneten Personen so chic, so „angesagt“ daher.

Diese Bildsprache, dieser kühle Realismus mit den kaum agierenden, lautlosen Personen ist in dem zunächst malereifremden Medium Fotografie entwickelt worden. Katja Hochstein übernimmt sie in die traditionelle bildnerische Technik der Malerei, überträgt ein ästhetisches Konzept der Moderne in ein herkömmliches Bildmodell - - das des gemalten Tafelbildes - und stellt in diesem Miteinander die besonderen Erkennungsmerkmale, die Charakteristika von beiden besonders deutlich heraus: Einerseits die strenge Komposition des modernistischen Ambientes und andererseits die deutliche erkennbare malerische Faktur.

Und schließlich unterläuft Katja Hochstein diese Neuschöpfung noch durch die Zerlegung oder Überblendung mit Streifen, weißen, rhythmisch angeordneten Freistellen von verschiedener Breite, manchmal ganz offensichtlich auf die Streifenstruktur von Barcodes anspielend, deren Schwarz-Weiß-Muster nun wirklich alltäglich und allgegenwärtig ist und das Erscheinungsbild nicht nur der Produkt- und Warenwelt ebenso bestimmt wie das Design unserer Umwelt.

Wenn Katja Hochstein Leitmotive digitaler Ästhetik so deutlich zitiert, so läuft das läuft schließlich auf die Frage heraus, welches Bildkonzept – anders ausgedrückt: Welches Mitteilungskonzept –zu unserer Zeit gehört? Mit welchen Mitteln wird visuell kommuniziert? Und vermag die Künstlerin mit Mitteln der bildenden Kunst dieses System aufzunehmen, zu beleuchten und womöglich eine Synthese herzustellen?

Noch einmal könnte man einen Rückgriff in die Kunstgeschichte und anschließend daran einen Analogieschluss wagen. Als in Frankreich die Epoche des Idealismus zu Ende ging und sich realistische Darstellungsmodelle entwickelten, stellte sich Edouard Manet die Aufgabe, mit Mitteln der Malerei „eine moderne Allegorie“ zu entwickeln. Ergebnis seines Experiments war das „Frühstück im Grünen“ von 1863, das einen Skandal auslöste, weil das Publikum es wörtlich nahm: Eine nackte Frau saß mit zwei angekleideten Männern beim Picknick im Wald.

Das wäre, als würde man Katja Hochsteins Bilder beschreiben als Ansichten von Innenräumen, die senkrecht in viele Streifen zerschnitten worden sind. Die Bedeutung, die Verschlüsselung hätte man damit übersehen. Der herkömmliche Begriff des Sinnbilds mag hier auf den ersten Blick nicht so recht passen, erst recht nicht der des Sittenbilds. Doch eigentlich ist es damit getroffen: Auch die niederländischen Interieurs waren, vermittelt über alltägliche Szenen, Beobachtungen und Reflexionen über gesellschaftliche Wirklichkeit, nur scheinbar „nur“ realistisch, eben unergründlich in ihrer Vordergründigkeit. Zur Entschlüsselung kommt es wesentlich darauf an, die Form und ihre Funktion zu erkennen und sich ihrer Funktion und Wirkungsweise bewusst zu werden, in diesem Fall also das „Gestreift „ in seiner Bedeutung zu erkennen.

Das wiederkehrende Streifenmotiv, die rhythmische Zerlegung setzt Katja Hochstein in Analogie zum Ornament, einer schmückenden Zutat, mehr dem Bereich des „Design“ als der „Kunst“ zugehörig:

Katja Hochstein selbst sagt: „Dem Betrachter selbst ist es überlassen, aus der Bildzierde den vermittelten Inhalt herauszulesen. Das Bild wird gelesen wie ein Gedicht. Das Bild ist ein bloßes Objekt, dessen Inhalt erst in der unzähligen Wiederholung an Bedeutung gewinnt.“

Wie man beim Lesen eines Gedichts zugleich mit dem Inhalt auch die Form erfasst, und das Erfassen der Form gleichzeitig die das Verständnis des Inhalts beeinflusst, so geschieht auch das Erfassen von Katja Hochsteins Bildinhalten gewissermaßen Zeile für Zeile und sich stetiger Wiederholung immer nachdrücklicher in wechselseitiger Abhängigkeit von Form und Dargestelltem.

Dr. Angelika Steinmetz-Oppelland

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