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“Von Angesicht zu Angesicht” 2011
Einleitung:
Zu Anfang möchte ich Ihnen eine Überleitung zum besagten Ausstellungstitel FACE TO FACE oder „Von Angesicht zu Angesicht“ darlegen. Der Ausstellungstitel ist für das gesamte Ausstellungprogramm hindurch ein gezogener, roter Faden. Beginnend mit einem aussagefähigen Zitat von Bertold Brecht:
„Die Menschen bleiben, was sie selbst sind, wenn Ihre Gesichter auseinanderfallen.“
Was ist ein Gesicht ohne wirkliches Gesicht? Im Allgemeinen verliert jener sein Gesicht, wenn er oder sie in der Öffentlichkeit bloß gestellt wird. Kein mediales Ereignis funktioniert mehr ohne diese öffentliche Anprangerung, das Gesicht als Spektakel. Ein Spektakel für die vielen Gesichtslosen. Im Mittelalter existierte hierfür der Begriff des „Schandbildes“. Die Funktionen eines Portraits ändern sich nie, nur die strategische Funktion des Portraits wird anders definiert. Während die Gesichtslosen unserer Zeit ein abstraktes Abbild ihrer selbst über Facebook, Twitter und sonstigen sozialen Netzwerken zu vermitteln versuchen, und damit zumeist eine konstruierte Identität reflektieren. Ist eine beispielhafte Gesellschaftsstruktur mit der traditionellen Methode des Portraitabbildes konfrontiert. Die Methode die den Portraitierten nur in seiner dargestellten, gesellschaftlichen Funktion umschreibt.
Diese Portraitabbildungen stellen in Ihrer Allgemeingültigkeit, eingebettet in einem speziellen Gebrauchskontext, einen kulturhistorischen und vor allem einen gesellschaftlichen Wert dar. Hierbei spielt die Glaubwürdigkeit der dargestellten Person in der zu bezeichnenden Funktion eine überaus wesentliche Rolle. Man glaubt das zu Sehen was man sieht, und reflektiert unweigerlich eine Wertigkeit in diese Abbildungen. Eine gesamte Glaubenskultur definiert sich aus dem personifizierten Abbild. Aus diesem Grund sprechen uns fiktive Portraitabbildungen über aus an, sie vermitteln nicht wirklich zu sein, sondern sind bewusst unwirklich. Eine gesamte ikonographische Lesart hat sich darüber hinaus entwickelt und verklärt sozusagen eine kulturelle Entwicklungsstufe. Hierbei sind Heiligenbilder gleichzusetzen mit den Heiligenbildern der Neuzeit, die uns täglich vor Augen führen wie loyal Medienheiligkeit sein kann.
Allein in der Kunst ist das Portrait über Jahrhunderte hinweg ein festes Sujet und reflektiert in seiner ganz eigenen Art und Weise eine eher haltlose Variante des Portraitabbildes im neuzeitlichen Medienzeitalter. In dem allgemeingültigen Geschichtsverständnis fallen uns immer sofort Bezüge zu Führungspersönlichkeiten der Geschichte ein, darunter zählen die Darstellungen von Heiligen oder die Darstellung von Pin Ups in männlicher und weiblicher Form.
Sie alle vermitteln eine Historie eines Menschen in einem gewissen Kontextes seiner Geschichte. Es gibt die dargestellte Geschichte und die wirkliche gelebte Geschichte.
Ein Künstler oder Künstlerin versucht mittels Methode ein eigenes Bild einer Person zu kreieren, das bewusst nicht wirklich erscheinen will. Am phänomenalsten sind dann jene verbliebenen Portraits dessen Aussage und Mittel am uneindeutigsten erscheinen.
In diesem Zusammenhang ist das Portraitlesen eine Wissenschaft für sich, denn niemand kann nach Jahrhunderten oder Jahrtausenden wirklich genau mehr definieren warum ein Portrait so abgebildet wurde. So gesehen sind Portraits immer auch Zeitfenster jener Epoche, und stellen etwas persönliche oder auch nur etwas Menschliches dar. Was heute als mediales Wissen mit Lücke bezeichnet wird ist in einem Jahrhundert vielleicht eine bedeutende, gesellschaftliche Strategie um mit seiner Umwelt zu korrespondieren. Gesichter sind dahingehend zu jeder Zeit austauschbar, verlieren an Bedeutung oder bleiben für immer ein Rätsel. Letzteres scheint hierbei das Erstrebenswertere zu sein.
Das bewusste Verundeutlichen einer Person und dessen Abbild ist ebenso eine Strategie, wie die ewige Neuerfindung eines medialen Gesichtes. Die Person wird dabei unwichtig, sondern wichtig erscheinen nur noch die bildliche Darstellungen und deren zeitgeschichtliche Kontext, der vorgibt ob die Person wichtig oder unwichtig ist.
Als Künstler bzw. als Künstlerin setzt man sich unweigerlich mit diesen Dingen auseinander, und versinnbildlicht das DASEIN. Samuel Beckett (Zitat) hat diesen Prozess des Seins einmal vortrefflich formuliert:
„Wir leben in einer so aufgereizten Zeit, dass man die Menschen eigentlich nur noch mit langer Weile schockieren kann“
In diesem Sinne ist es immer Kunst die diese stetige Generierung von Zuständen und Befindlichkeiten von Gesellschaft steuert und diese in einer abstrakten und menschlichen Sprache artikuliert und bildlich darstellt. Denn es ist immer noch das Bild, das eigene Abbild des Menschen der diese seine eigene Welt zu dem erscheinen lässt, was sie nun einmal ist, und dem kann sich niemand entziehen - eine Welt der Abbilder.
Text: Katja Hochstein | Juni 2011
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